Vor 100 Jahren gab es das „BAD“ vor den Ortsnamen

Redakteure vom Dienst

Sie haben eine interessante Geschichte? Kontaktieren Sie unsere Redakteure vom Dienst.

Gerald Henseler
Tel. 04551 - 99 00-30
Fax 04551 - 99 00-33
E-Mail

Dirk Marquardt
Tel. 04551 - 99 00-31
Fax 04551 - 99 00-33
E-Mail

von Gerald Henseler

Vor 100 Jahren gab es das „BAD“ vor den Ortsnamen

Johannes Elsner war von 1926 bis 1933 Bürgermeister in Bad Segeberg. Im seinem Amt in der Kommunalabteilung in Schleswig verhalf er 1924 Segeberg zum Zusatz Bad im Ortsnamen. Fotos: Archiv Zastrow

Bad Segeberg (pz). Vor 100 Jahren erhielt Segeberg den Zusatz Bad für seinen Ortsnamen. Die Geschichte des Kurortes schildert Peter Zastrow heute und in der nächsten Woche in Basses Blatt. Zudem hält der Heimatforscher am Dienstag, 1. Oktober, einen Vortrag im Bürgersaal des Rathauses (siehe Hinweis unten).

Johannes Elsner, der 1924 noch Regierungsreferendar war, verhalf den Segebergern zu dem begehrten „BAD“ vor ihrem Ortsnamen. Elsner, von 1926 bis 1933 Bürgermeister von Segeberg wurde am 1. Juli 1933 seines Bürgermeisteramtes durch die Nationalsozialisten enthoben. In seinen im Oktober 1933 verfassten unveröffentlichten Erinnerungen „Kommunale Streiflichter aus jüngster Vergangenheit“ schrieb Elsner, dass sich die Stadt schon länger bemüht hatte, das „BAD“ vor dem Ortsnamen zu erhalten. Im Sommer 1924 unternahm der Segeberger Fremdenverkehrsverein einen erneuten Versuch. Da Elsner damals in der Kommunalabteilung der Schleswiger Regierung arbeitete, erreichte er durch eine günstige Äußerung der Regierung bei der Eingabe an den Reichsverkehrsminister, dass der Antrag so überraschend schnell genehmigt wurde. So erhielt Segeberg am 1. Oktober 1924, zwar erst 40 Jahre nachdem in der Stadt die ersten Solebäder verabreicht wurden, die drei werbewirksamen Buchstaben „B-a-d“.

1884 gründete Heinrich
Wickel das Solbad

Begonnen hatte es mit dem Solbad am 1. Juli 1884, als der in Segeberg gebürtige Kaufmann Heinrich Wickel in seinem Haus Oldesloer Straße 12 (heute WortOrt) die ersten Solebäder anbot. Mit Genehmigung des preußischen Ministeriums durfte er die 28%-gesättigte Sole, die so stark wie das Wasser im Toten Meer ist, vom Kalkberg nutzen. Mit seinem in Finnland erwirtschaftetem Vermögen ließ er ein Kurhaus mit Badehaus erbauen und legte den Kurpark an. Dabei übernahm er sich finanziell. So übernahm 1892 die „Aktiengesellschaft Solbad Segeberg“ das Kurhaus und den Badebetrieb. Nun ging es mit dem Sol- und Moorbad mit seinen ausgezeichneten Heilwirkungen gegen Gicht, Ischias, Rheuma und Frauenleiden aufwärts.

Als Elsner 1923 nach Segeberg kam, erschien ihm die Stadt als eine nicht sehr gepflegte und rückständiger Kleinstadt. Dass es ein Kurort war, konnte man weder am Bahnhof, noch beim Gang durch die Stadt erkennen. Das Kurhaus mit seinen Badeeinrichtungen war einfach und seit 1885 nur unwesentlich verbessert worden. Für die Kurgäste gab es das Kurhotel und das Hotel zur Lohmühle gegenüber dem Kurpark. Viele Kurgäste wohnten in kleinen Pensionen oder bei Privatleuten. Segeberg war ein kleines drittklassiges Bad, in das Kurgäste aus Hamburg und der Provinz Schleswig-Holstein reisten. Das änderte sich auch nicht, als Segeberg am 1. Oktober 1924 ganz plötzlich das „Bad“ vor seinen Ortsnamen bekam.

Eine enge Zusammenarbeit mit der Kurhausverwaltung, um das Kur- und Badeleben zu beleben, glückte nicht. Das ändert sich, als die Weltwirtschaftskrise im Sommer 1931 Deutschland erreichte. Zahlreiche Kurgäste verließen überall die Badeorte, so auch in Bad Segeberg. Ende Oktober 1931 stand die Solbad AG durch Verluste und Verbindlichkeiten unmittelbar vor der Insolvenz. Auf Bürgermeister Elsners Vorschlag hin löste sich die Solbad AG auf. Ende März 1932 gründete sich die „Solbad Segeberg GmbH“ deren Gesellschaftskapital die Stadt zu 75 Prozent übernahm. Ab 1934 ging die Zahl der Kurgäste, bedingt auch durch das Fernbleiben der bis dahin zahlreichen hier kurenden jüdischen Badegäste, permanent zurück.  Im Frühjahr 1936 musste der Badebetrieb fast eingestellt werden, es sprudelte keine Sole mehr. Seit der Reichsarbeitsdienst am Kalkberg wühlte, um die Nordmark-Feierstätte, das heutige Freilichttheater, zu bauen, war die Soleförderung stark eingeschränkt. So konnte das Kurhaus nur noch durch ein gut geführtes Restaurant überleben. Unter der Leitung des linientreuen Parteigenossen Harald Opitz (1889-1951) wurde das Kurhausrestaurant zu einem beliebten Wochenend-Ausflugsziel vieler Hamburger und der Umgebung. Doch mit dem Beginn des Krieges blieben auch die Wochenend-Kaffeetrinker aus.

Die Marine übernimmt das Kurhaus

Die Rettung des Kurhauses kam im Januar 1941 durch die Marine-Intendantur Kiel. Sie requirierte den gesamten Kurhauskomplex, um hier 25 Offiziere und Beamte, zehn Unteroffiziere und 130 Mannschaften und sonstige Gefolgschaftsmitglieder der Marine-Artillerie-Zeugämter unterzubringen. Als am 3. Mai 1945 durch das britische Militär Bad Segeberg besetzte, brachten sie im Kurhaus und Gästehaus die von den Deutschen zwangsverpflichteten Polen und Balten unter, bis diese in ihre Heimat zurückkehren konnten. Als der Vorstand und der Aufsichtsrat der Solbad Segeberg GmbH das Kurhaus, das Badehaus und das Gästehaus nach der Rückgabe durch die britische Militärregierung am 10. August 1946 in Augenschein nahmen, fanden sie nur noch einen Trümmerhaufen vor. Mit viel Mühen schaffte es die Solbad GmbH den Restaurantbetrieb im Kurhaus wieder herzustellen.

Neubeginn nach dem Krieg

Ab 1951 wurden im Badehaus wieder Sole-, Moor- und Heilbäder und ein Saunabetrieb angeboten. Doch Kurbäder und Saunabetrieb war stets defizitär. So hieß es am 31. Oktober 1955: Bäder und Sauna geschlossen. Damit endete nach 71 Jahren der Badebetrieb des Sol- und Moorbades Bad Segeberg. Im Dezember 1956 war die Solbad Segeberg GmbH nicht zahlungsfähig und das Kurhaus musste schließen.

Das Bad zwischen den Meeren

Da trat der Gastronom Otto Friedrich Behnke (1898-1963), Pächter des Schulauer Fährhauses, des Restaurationsbetriebes auf dem Bäderschiff „Wappen von Hamburg“ und des Kurhotels Bad Pyrmont auf. Behnke hatte großen Pläne, wollte 2,25 Millionen investieren und hier das „Bad zwischen den Meeren“, ein Hotel für Gäste mit verwöhnten Ansprüchen, entstehen lassen. Er kaufte nach und nach die Gesellschafteranteile auf, verkaufte das Gästehaus an den Kreis Segeberg und nach finanziellen Turbulenzen wurde das vier Jahre lang geschlossene Kurhaus wieder eröffnet. Im Februar 1963 verstarb Otto Friedrich Behnke plötzlich. Sein Sohn, Diplomkaufmann Uwe Friedrich Behnke, übernahm das Erbe, rechnete mit einem spitzen Bleistift und kam zu dem Schluss, dass die Einrichtung eines privaten Kurbades sich nicht rechnet und schloss das Kurhaus. 1967 kaufte die Stadt 80.000 Quadratmeter von dem 100.000 Quadratmeter großen Gelände, mit der gesamten Seefront zum Preis von 250.000 D-Mark zurück. Den fehlenden 20.000 Quadratmeter große Streifen des Kurparks an der Bismarckallee behielten die Behnke Erben und verkauften ihn später an die Kassenärztliche Vereinigung für 650.000 D-Mark.

Das Ende des Solbades

Am 6. März 1968 folgte dann der letzte Akt des langsamen Sterbens des Kurbades. Die Stadt verkaufte 50.000 Quadratmeter des Kurhausgeländes an den Hamburger Kaufmann und Bauunternehmer Bruno Himpkamp Er verpflichtete sich, das Kurhaus abzureißen und auf diesem Areal bis 1974 ein Kurzentrum mit Hotel, Restaurant, Mehrzwecksaal, Kuranlagen, Kindertagesstätte und Ladenzentrum für 21,3 Millionen D-Mark zu errichten. Im Juli 1968 rollten die Bagger der Firma Georg Mauruschat aus Wahlstedt an und brachen für 75.000 D-Mark in 22 Tagen das Kurhaus mit Badehaus ab und verbrachten den Bauschutt in die Backofenwiese. So versank nach 84 Jahren Segebergs so geliebtes Kurhaus in einer sumpfigen Wiese.

Neuanfang mit einer Kurklinik

Als dann am 30. März 1974 neben der im Februar eröffneten Kurklinik auch noch das Kurzentrum mit dem Kurhotel und Appartementwohnungen in dem danebenstehenden Wohnturm eröffnet wurde, waren die Segeberger hellauf begeistert. „Bad Segeberg trägt seinen Vornamen wieder zu Recht! Im Laufe der Jahre wurde aus dem Reha-Zentrum eine Klinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. Ende 1990 erstand Frau Marlies Borchert gemeinsam mit dem damaligen ärztlichen Direktor Prof. Wolfgang Huhmann für 30 Millionen DM das Unternehmen. Seit 1991 ist sie alleinverantwortliche Gesellschafterin des größten Herzzentrum Norddeutschlands.

Endlich wieder Bad

1985 wurde Dr. hc Jörg Nehter (*1943) Bad Segebergs neuer Bürgermeister (Amtszeit 1985-1997), der zielstrebig die Anerkennung als Heilbad verfolgte. Denn eine der stärksten Sole Deutschlands schlummerte immer noch unter dem Kalkberg. Am 1. Oktober 1990 war es dann so weit. Alles Voraussetzungen waren erfüllt, die Urkunde ausgestellt, alle Gäste ins Intermar-Kurhotel eingeladen und Günther Jansen, Minister für Soziales, Gesundheit und Energie des Landes Schleswig-Holstein angereist. Doch da kam dem Minister bei dem Festakt Bedenken und er stoppte die Rechtskraft der Urkunde. Es sollte erst die Altdeponie (Dahmlos‘sche-Kuhle), die in Nähe der Soleentnahmestelle sich einst befand, untersucht werden. Da zückte Dr. Jörg Nehter seinen Füllfederhalter und setzte auf die Urkunde die Buchstaben „i. G.“ (in Gründung) hinzu und der Festakt war gerettet. Die Untersuchungen zogen sich über zwei Jahre bis 1992 hin. Die Qualität der Sole als Heilmittel wurde gutachterlich nachgewiesen. Und so konnte am 1. September 1992 nochmals gefeiert werden. Bad Segeberg war nun ein anerkanntes Mineral-Heilbad und endlich wieder ein „richtiges“ Bad.

Endgültiges Aus des Kurbades

Doch bei allen Bemühungen blieb der erhoffte Erfolg aus. Aus der Trinkhalle beim Intermar-Kurhotel wurde die Leonardo-Bar und Sole zu Therapiezwecken war nicht mehr gefragt. So entstanden nur Kosten für die erforderlichen Untersuchungen, da Sole als Arzneimittel gilt. Unter Bürgermeister Dieter Schönfeld (Amtszeit 2009 – 2021) wurde 2016 der Solebrunnen verfüllt und versiegelt. Gleichzeitig gab die Stadt die Heilbad-Anerkennung zurück. In der Zwischenzeit hat sich Bad Segeberg von einer Kurstadt zum Gesundheitsstandort gewandelt und ist durch die Karl-May-Spiele ein Anziehungspunkt für Touristen geworden. Die wundervoll ausgeschmückte Fußgängerzone, die Altstadt mit Kalkberg und seiner Höhle, die prachtvolle Seepromenade und die vielen Möglichkeiten für einen Tages- oder Kurzurlaub, lässt die Stadt zu einer liebenswerte idyllische Kleinstadt werden, die auch ohne Bad- und Kurbetrieb den Charme einer Kurstadt behalten hat. So trägt die Stadt die 100 Jahre alten werbewirksamen drei Buchstaben „Bad“ vor seinem Ortsnamen auch heute noch zu Recht.


Zurück