Neues Betreuungsrecht stärkt Wünsche und Willen betreuter Menschen

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von Gerald Henseler

Neues Betreuungsrecht stärkt Wünsche und Willen betreuter Menschen

Katja Lohmeier leitet die Betreuungsbehörde im Kreis Segeberg. Foto: Sabrina Müller/Kreis Segeberg
Katja Lohmeier leitet die Betreuungsbehörde im Kreis Segeberg. Foto: Sabrina Müller/Kreis Segeberg

Bad Segeberg (em). Zu Beginn des Jahres ist das neue Betreuungsrecht in Kraft getreten. Betreuungsbehördenleiterin Katja Lohmeier freut sich, dass damit die Selbstbestimmung betreuter Menschen weiter gestärkt wird. „Die Reform stellt die Wünsche und den Willen rechtlich betreuter Menschen noch mehr in den Mittelpunkt und soll eine gute Qualität in der rechtlichen Betreuung sichern. Die Betreuerinnen und Betreuer dürfen in keinem Fall über den Kopf einer betreuten Person hinweg entscheiden“, betont Lohmeier.

Ist ein volljähriger Mensch aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ganz oder teilweise nicht in der Lage, für sich selbst zu entscheiden, stellt ihm das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer zur Seite. Das kann eine Person aus dem familiären oder sozialen Umfeld sein oder jemand, der beruflich oder auch ehrenamtlich engagiert mit dem Thema Betreuung befasst ist. In jedem Einzelfall wird der Betreuer auf Vorschlag der zuständigen Betreuungsbehörde bestellt.

Zum neuen Gesetz gehört unter anderem die Einführung eines Mindeststandards für den Zugang zum Betreuerberuf. Seit dem 1. Januar 2023 sind bestimmte Qualifikationen verpflichtend vorgeschrieben, um von der Betreuungsbehörde registriert/zugelassen zu werden. Für eine professionelle Betreuung benötigen Interessenten unter anderem rechtliche, psychiatrisch-psychologische und betriebswirtschaftliche Sachkunde. Diese können nebenberuflich in zertifizierten Kursen oder kompakt in einem Studium an einer anerkannten Hochschule erworben werden.

Lohmeier stellt klar, dass eine rechtliche Betreuung keine Entrechtung oder Bevormundung ist und spricht damit die Angst vieler Betreuter sowie deren Angehöriger an. „Die Vormundschaft für Volljährige ist in Deutschland seit 1992 abgeschafft. Eine Betreuerbestellung hat nicht zur Folge, dass die betreute Person geschäfts- oder einwilligungsunfähig wird.“ Geschäfts- und einwilligungsfähige betreute Menschen können demnach grundsätzlich weiterhin selbst ihre Entscheidungen treffen und Geschäfte tätigen sowie alle rechtlich relevanten Erklärungen selbst abgeben. Sie müssen zum Beispiel von Ärzten oder von Sozialleistungsträgern stets nach ihren Wünschen gefragt werden.

Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Betreuer den Wünschen der betreuten Person nicht oder nicht in geeigneter Weise nachkommt, besteht seit diesem Jahr grundsätzlich die Pflicht der zuständigen Rechtspflegerin oder des zuständigen Rechtspflegers, die betreute Person persönlich anzuhören. So ist beispielsweise der Schutz sogenannter „höchstpersönlicher Lebensbereiche“ stärker ausgestaltet als bisher. Dies gilt insbesondere für die selbst genutzte Wohnung als persönlicher Lebensmittelpunkt. „Die Aufgabe dieses Wohnraums ist nach der neuen Vorschrift grundsätzlich nur zulässig, wenn sie dem Willen der betreuten Person entspricht“, sagt Lohmeier.

Das neue Betreuungsrecht stellt deutlicher klar, dass eine Betreuung nur eingerichtet wird, wenn andere Hilfen ausgeschöpft sind und nicht ausreichen. Vorrangig sollen Familienangehörige, Bekannte oder soziale Dienste unterstützen. Diese können zum Beispiel beim Ausfüllen von Anträgen für Sozialleistungen helfen. Zudem ist die Betreuungsbehörde im Kreis Segeberg nach dem Landesbetreuungsgesetz eine von zwei Modellbehörden in Schleswig-Holstein. „Wir werden in unserem Kreis in den nächsten Jahren erproben, ob eine vorübergehende sogenannte ,erweiterte Unterstützung‘ durch die Betreuungsbehörde eine vom Gericht bestellte Betreuung entbehrlich machen kann. Hierfür sowie für weitere neue Aufgaben durch die Reform benötigen wir Sozialpädagogen, um das Team aufzustocken und gemeinsam die Selbstbestimmung Betroffener noch mehr in den Fokus zu nehmen.“

Für familienfremde ehrenamtlichen Betreuer ist neu geregelt, dass ihnen verbindlich kompetente Ansprechpartner zur Seite stehen. Das neue Betreuungsrecht sieht für sie vor, mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung abzuschließen. „Ehrenamtliche Betreuer mit familiärer oder persönlicher Bindung erhalten immer ein Beratungsangebot per Post nach Hause. Auch diesen empfehlen wir, eine solche Vereinbarung mit einem Betreuungsverein abzuschließen, weil dadurch eine konstante kompetente Beratung und Unterstützung durch erfahrene Fachkräfte sichergestellt wird.“

Berufsbetreuer wird man nicht durch eine Berufsausbildung. Vielmehr handelt es sich um eine Tätigkeit, die sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Während vor 1992 hauptsächlich Rechtsanwälte beruflich in diesem Bereich eingesetzt wurden, sind in den Jahren seit 1992 auch viele Menschen aus anderen Berufsgruppen dazugekommen, schwerpunktmäßig Sozialarbeiter/-pädagogen, Alten- und Krankenpfleger sowie Erzieher, aber auch Verwaltungsfachkräfte und Kaufleute.

Derzeit sind im Kreis Segeberg für rund 3.800 Menschen Betreuungen eingerichtet. Etwa die Hälfte von ihnen wird von Berufsbetreuern unterstützt. „Wir benötigen weitere Betreuer, um den Bedarf decken zu können“, sagt Lohmeier. „Wenn Sie Lust am Kommunizieren mit verschiedenen Adressaten haben, gerne selbstständig arbeiten, sich Ihre Zeit frei einteilen möchten und Sie die Herausforderung einer Tätigkeit als Berufsbetreuer interessiert annehmen möchten, freuen wir uns, Ihnen weitere Informationen telefonisch oder per E-Mail zu geben.“

Mit der Gesetzesreform kommt auf die Betreuungsbehörde mehr Arbeit zu, unter anderem wenn es darum geht, die Qualifikationen der Berufsbetreuer zu prüfen. Daher sucht der Kreis aktuell Sozialpädagogen für die Betreuungsbehörde.


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